DEBATTE / Blick über den Tellerrand

Die Diskussion um die Sicherung der Welternährung.

Heute leben sieben Milliarden Menschen auf unserem Planeten. Etwa eine Milliarde davon ist unterernährt – ein Zustand, der angesichts der heutigen Produktionskapazitäten nicht akzeptabel ist. Während sich in den Industrieländern seit vielen Jahrzehnten ein gut funktionierendes Versorgungssystem etabliert hat, fehlt es in Entwicklungsländern oftmals bis heute an grundlegenden Voraussetzungen für die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Bei der Debatte, wie man die Zahl der hungernden Menschen verringern kann, rückt die Bedeutung der Agrarwirtschaft und des ländlichen Raums wieder verstärkt in den Fokus. Das ist gut so. Jedoch werden bei der Suche nach den Ursachen für den Hunger oftmals voreilig Schlüsse und Schlussfolgerungen gezogen.

Positives Signal: Steigende Preise für Agrarrohstoffe.

Die Preise für Ölsaaten sind – wie die anderer wichtiger Agrarrohstoffe – in den letzten Jahren gestiegen. Steigende Preise ergeben grundsätzlich positive Effekte: Sie geben gerade Kleinbauern in Entwicklungsländern den Anreiz, in Saatgut, Maschinen, Düngemittel und Lagerung zu investieren. Und das führt letztlich zu einer Stabilisierung der Produktion und zu einer besseren Versorgung in diesen Ländern. Dabei ist es wichtig, Kleinbauern entwicklungspolitisch zu unterstützen.

Chance zur Preisregulierung: Biokraftstoffe.

Biokraftstoffe können die Rolle eines Marktregulierers übernehmen – indem sie die Preisentwicklung zu Spitzenzeiten nach unten und nach oben abfedern. In Zeiten großer Überproduktion (bei niedrigen Preisen) bieten sie einen weiteren Absatzmarkt und stabilisieren die Preise. Bei Engpässen können gerade agrarische Rohstoffe von Biokraftstoffen der sogenannten 1. Generation, d. h. aus Rohstoffen, die auch als Nahrungsmittel verwendet werden können, als Rohstoffreserve herangezogen werden und die Preisspitzen entschärfen. Die Produktion von Biokraftstoffen muss somit nicht in Konkurrenz zur weltweiten Nahrungsmittelversorgung stehen. Voraussetzung dafür sind flexible politische Rahmenbedingungen, beispielsweise eine flexible Quote bei Biokraftstoffen, die über mehrere Jahre gestreckt werden kann, wenn es im Nahrungsmittelsektor zu Engpässen kommt. Dann gilt grundsätzlich: „Food First“.

Problem der Reichen: Überversorgung und Verschwendung.

Ein über Jahrzehnte etabliertes Agrarsystem sichert in Deutschland und der EU die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Heute gibt es in den Industrieländern eher ein Problem der Überversorgung und der Verschwendung. Ein Blick in die Statistik der Industrienationen klärt darüber auf, wo diese Mengen bleiben: Allein in der EU landen jährlich 90 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Darüber hinaus führen Regulierungen und Kaufverhalten dazu, dass beispielsweise optisch nicht perfektes oder zu kleines Obst und Gemüse aussortiert wird oder auf dem Feld liegen bleibt. Ganz klar: Ein bewusster Umgang mit Nahrungsmitteln dort, wo sie im Überfluss vorhanden sind, muss Teil einer Strategie zur weltweiten Ernährungssicherung sein.

Problem der Armen: Ernte- und Nachernteverluste.

Auch dort, wo Nahrungsmittel dringend benötigt werden, gehen große Mengen verloren: In Entwicklungsländern verdirbt bis zu 40 Prozent der gesamten Ernte, weil es an Know-how, Technik und Infrastruktur fehlt. Die Minimierung der Ernte- und Nachernteverluste durch Investitionen und die Vermittlung von Know-how ist daher ein weiterer wichtiger Faktor für die Verbesserung der Welternährung.

Wachsende Weltbevölkerung: Agrarproduktion nachhaltig steigern.

Im Jahr 2050 werden voraussichtlich neun Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Es muss also künftig um eine Steigerung der Erträge auf den bestehenden Anbauflächen sowie um die Minimierung von Flächenverlusten durch Erosion, Versalzung und Degradation gehen. Die Vermittlung von Wissen, Investitionen in Saatgut und Landtechnik, der bedarfsgerechte Einsatz von Düngemitteln sowie ein modernes Wassermanagement sind gerade in Regionen wie Afrika, Lateinamerika und Osteuropa gefragt. Aktuellen Studien zufolge ließe sich die weltweite Agrarproduktion mit solchen Maßnahmen um mehr als die Hälfte steigern.

Fazit: Einfache Lösungen gibt es nicht. Differenzierte schon!

Die Ursachen von Ernährungskrisen sind komplex und miteinander verwoben. Um den Herausforderungen von heute und von morgen gerecht zu werden, braucht es eine differenzierte Betrachtungsweise, neue Kooperationsmuster und eine offene Dialogkultur.

Es muss darum gehen, die Bemühungen um anerkannte Ziele wie Nachhaltigkeit, Forschung und Entwicklung zur Ertragssteigerung zu bündeln und zu intensivieren. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wäre ein allgemeiner Bewusstseinswandel, gerade in den Industrieländern. Was bedeuten nachhaltig produzierte Nahrungsmittel? Sorgt nicht gerade eine die natürlichen Ressourcen im Blick habende industrielle Agrarwirtschaft, zusammen mit globalem Handel, der Entwicklungsländer nicht benachteiligt, für eine bessere Versorgung? Hierfür braucht es auch neue Kooperationsmuster und die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.